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Made in Thüringen

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Foto: IBA/Thomas Müller

Die Evangelische Kirche in Mittel-

deutschland ruft dazu auf, Ideen für die

Nutzung der zahlreichen Kirchen des

Landes zu kreieren. Hier soll eine zu-

kunftsgewandte Auseinandersetzung

mit dem religiösen Erbe und kollekti-

vem Siedlungsbild von Thüringen statt-

finden, die Veränderung zulässt, ohne

den Bestand in Frage zu stellen.

Der IBA-Aufruf ‚Arrival STADTLAND’, der

die Frage des Willkommens in einem

weltoffenen Thüringen mit dem bauli-

chen Reservoir leerstehender Immo-

bilien kombiniert, wird in Kürze weitere

IBA-Kandidaten hervorbringen. Hier ist

die Teilhabe der zukünftigen Nutzer an

der Entwicklung von Wohn- und Ar-

beitsstandorten ein zentraler Ausgangs-

punkt.

Die IBA Thüringen betrachtet Leerstän-

de als Wert und Ressource. Schaut man

auf die Leerstände nicht einfach als

Schrottimmobilien oder Schandflecke,

so kann man sie als steinerne Geschich-

te, Flächenreserve und Nutzungspoten-

zial erkennen. Sie stellen Materialres-

sourcen wie auch Energiespeicher dar.

Viele der leerstehenden Gebäude sind

zudem aufgrund ihres Alters und ihrer

baugeschichtlichen Bedeutung Denk-

male oder doch Archive unserer indivi-

duellen und gesellschaftlichen Erinne-

rungen. Gebäude wurden schon immer

um- und weitergebaut – dieses prakti-

sche und pragmatische Handeln sollte

man fortsetzen. Aber nicht alle unge-

nutzten Standorte und leerstehenden

Gebäude können wiedergenutzt wer-

den. Es ist zu viel Gebäudebestand in

Thüringen vorhanden, und davon ist

insgesamt leider zu wenig nachgefragt.

An dieser Stelle kommt eine gute kom-

munale und regionale Planung ins

Spiel, die eindeutige Prioritäten setzt

und selbst aktiv wird. Grundvoraus-

setzung ist eine Haltung, die im Alltag

des Baugeschehens den Bestand vor

den Neubau und die innerstädtische

Brache vor die grüne Wiese setzt. Dort,

wo es sich lohnen könnte, ist intelligen-

te und offensive Entwicklungsarbeit

notwendig.

Für die IBA-Praxis bedeutet der Wille

zur Aktivierung und Mobilisierung der

Leerstände zunächst, Sichtbarkeit zu er-

zeugen, Zugänglichkeit zu schaffen, die

Objekte interessant zu machen und ihre

Werte zu betonen. Freilich ist eine kon-

krete Nachfrage damit immer noch

nicht automatisch erzeugt, aber man er-

kennt zumindest die Möglichkeiten, die

in einem unansehnlichen Sanierungs-

fall stecken. Für die eigentliche Projekt-

arbeit sind gute Beispiele und Vorbilder

wichtige Impulse, auch aus dem inter-

nationalen Raum. Mit den in über 150

Ländern weltweit aktiven Goethe-Insti-

tuten haben wir dazu im Vorfeld der

IBA-Konferenz LeerGut im Frühjahr

2016 einen internationalen Aufruf zum

Thema ‚Re-Use’ lanciert. Zurück kamen

unter anderem Beiträge aus Neusee-

land, Japan, Italien, Portugal, den Nie-

derlanden, Schweden und Deutschland.

Die Beispiele reichten von Umnutzungs-

strategien und -strukturen bis zum rea-

lisierten Umbauprojekt und wurden Teil

der IBA-Ausstellung LeerGut, die zur IBA-

Konferenz im Sommer 2016 im Apol-

daer Eiermannbau gezeigt wurde.

LeerGut erschließen

Leerstand ist zunächst das Problem des

jeweiligen Eigentümers, LeerGut hinge-

gen wird zur gesellschaftlichen Auf-

gabe, wenn wir es als Wert und Ressour-

ce betrachten. In der Projektarbeit wird

immer wieder deutlich, dass der

Bestand andere Regeln und Arbeits-

weisen erfordert als der Neubau. Ge-

fragt sind andere Finanzierungsmecha-

nismen, Planungsinstrumente und

häufig andere Akteure als klassische

Investoren, die Bestände über eine län-

gere Entwicklungsphase aktivieren,

selbst und nachhaltig nutzen wollen

und oft genug eine Bereicherung der

Nachbarschaft und des öffentlichen und

kulturellen Lebens darstellen. Vielleicht

ist die Arbeit mit dem und im Bestand

deswegen häufig ein erfolgreiches

Tätigkeitsfeld von zivilgesellschaftli-

chen Initiativen, gemeinwohlorientier-

ten Stiftungen und Vereinen. Und gera-

de für diese Pionierarbeit werden

passende Unterstützungsinstrumente

gebraucht. Privatwirtschaftliche Finan-

zierungsmodelle versagen oft bei die-

sen ungewöhnlichen Projekten, selbst

staatliche Förderung ist meist nur unzu-

reichend zugeschnitten auf alternative

Nutzergruppen. Eine Thüringer Antwort

auf die zugegebenermaßen komplizier-

ten Entwicklungsaufgaben könnte ein

LeerGut-Fonds liefern, der genau dann

einspringt, wenn es um Teilhabe geht

und die Suche nach geeigneten Eigen-

tümern, Nutzern und Nutzungsprofilen

Zeit und Mut braucht.

.

Es reichen einfache Standards. Indoor-Camping

.

.

im Eiermannbau während des IBA Campus

.