Made in Thüringen
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Foto: Anne Günther/FSU
Wirtschaftskrise, Immobilienkrise, Finanz-
und Bankenkrise. Staatshaushalte implodie-
ren, Nullzinspolitik – und nun auch noch der
Brexit. Gefühlt kommt die Wirtschaftswelt
aus dem Beben nicht mehr heraus. Den
Durch- und Überblick haben viele bereits
verloren und überblättern aus Angst vor
neuen Hiobsbotschaften den Wirtschaftsteil
der Tageszeitung. Doch Resignation ist kei-
ne Lösung. Vielmehr ist es wichtig, an der fi-
nanziellen Allgemeinbildung zu arbeiten,
um sich den Weg durch den Wirtschafts-
dschungel zu bahnen. „Der Finanzbereich
entfernt sich von der Realität“, sagt Carmela
Aprea, Lehrstuhlinhaberin für Wirtschafts-
pädagogik der Friedrich-Schiller-Universität
Jena. „Aber das heißt nicht, dass wir den
Faden zu ihm abreißen lassen dürfen.“
.
Carmela Aprea, Lehrstuhlinhaberin
.
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für Wirtschaftspädagogik an der FSU
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Wirtschaftspädagogin der Universität Jena stellt neues Buch zur finanziellen Allgemeinbildung vor
Ein Kompass für den
Finanz-„Dschungel“
D
abei helfen kann das neue „Hand-
book of Financial Literacy“, das
Aprea gemeinsam mit sechs weiteren
internationalen Expertinnen und Ex-
perten für finanzielle Allgemeinbildung
herausgegeben hat. „Die Geschehnisse
auf dem Finanzmarkt werden immer
komplexer, doch ihre Konsequenzen
haben uns gezeigt, dass diese nicht au-
ßerhalb unseres alltäglichen Lebens
passieren und wir sie nicht einfach aus-
klammern können“, sagt die Wirtschafts-
pädagogin der Universität Jena. „Die
Nullzinspolitik, die unsere Ersparnisse
betrifft, der bargeldlose Zahlungsver-
kehr, der Informationen über unseren
Konsum offenbart, oder die politischen
Folgen, die die Krisen der vergangenen
Jahre mit sich gebracht haben – all das
zeigt uns, dass wir unmittelbar von wirt-
schaftlichen Entwicklungen betroffen
sind.“ Deshalb sei es wichtig, sich einen
Durchblick zu verschaffen und die
Grundbildung in ökonomischen Berei-
chen grundlegend zu verbessern – al-
lein schon, um richtige Entscheidungen
zu treffen, sagt Aprea und fügt ein Bei-
spiel an: „Vielen Sparern, die für ihre
Altersvorsorge nach Alternativen zu
konservativen Anlagemöglichkeiten su-
chen, ist nicht klar, dass sie für eine hö-
here Rendite ein höheres Risiko in Kauf
nehmen müssen.“ Mit dem Buch möch-
ten die Herausgeber, die u. a. in Singa-
pur, den USA und Österreich lehren, zum
einen Schuldnerberater und Finanzin-
termediäre, aber vor allem die Ausbil-
dung an Schulen und die Forschung an
Universitäten erreichen, denn dort sollte
der Grundstein für eine krisenfeste fi-
nanzielle Allgemeinbildung gelegt wer-
den. Deshalb wird im „Handbook“ zu-
nächst danach gefragt, was genau diese
umfassen sollte, wobei neben der päda-
gogischen Perspektive auch ökonomi-
sche, politische und psychologische As-
pekte einbezogen werden. Außerdem
widmet sich das Buch dem politischen
Umfeld der finanziellen Allgemeinbil-
dung sowie den verschiedenen Strate-
gien, die weltweit zu deren Verbesse-
rung umgesetzt werden.
„Uns war es zudem wichtig herauszu-
stellen, welche Instrumente es gibt, mit
denen der jeweilige Kenntnisstand
überhaupt gemessen wird“, erklärt Car-
mela Aprea. Um das ökonomische Wis-
sen zu überprüfen, werde beispielswei-
se gern mal nach dem jeweiligen
Finanzminister gefragt, was über die
tatsächlichen wirtschaftlichen Fähig-
keiten nichts aussage. Darüber hinaus
stehen dabei auch psychologische Indi-
katoren im Mittelpunkt. „Interessant ist
es etwa, die Emotionalität bei Konsu-
mentscheidungen zu untersuchen oder
eine Verbindung zwischen der Gewich-
tung von Statussymbolen und dem öko-
nomischen Kenntnisstand herzustellen“,
erklärt die Jenaer Wirtschaftspädagogin.
Eine gezielte Bildung, die diese ganz-
heitliche Betrachtung berücksichtigt,
könne dazu führen, den Finanzbereich
wieder stärker im alltäglichen Bewusst-
sein zu verankern und damit sowohl ei-
ne Akzeptanz, aber auch eine kritische
Haltung ihm gegenüber aufzubauen.
Deshalb gibt das Buch, das erstmals den
aktuellen internationalen Stand der
Forschung zusammenträgt, Beispiele,
wie es gelungen ist, Finanzthemen auch
in anderen Fächern – etwa in der Ma-
thematik – zu integrieren. Dabei lassen
sich Synergieeffekte für beide Fächer
erzielen und gleichzeitig vertieft sich
das finanzielle Wissen. Behandelt wird
überdies die Frage, wie Themen der fi-
nanziellen Allgemeinbildung angemes-
sen in der Ausbildung von Lehrkräften
berücksichtigt werden können. (FSU)